Gallotia simonyi (Steindachner, 1889) lebt ausschließlich auf der Insel el Hierro. Das einzige, verbliebene natürliche Vorkommen ist an einer nahezu unzugänglichen Stelle in der Fuego de Goreto bei Guinea im Westen der kleinen Insel. Bis ungefähr 1940 lebten auch die letzten Echsen der Art auf dem vorgelagerten Felseiland Roque Chico de Salmor. Das Erlöschen der Inselpopulation beruht vermutlich auf der Bestandszunahme einer Möwenart. Die Möwen benötigen die Futterpflanzen der Eidechsen für den Nestbau. Galloti simonyi ernährt sich mit zunehmendem Alter vegetarisch. Durch das Verschwinden der Futterpflanzen ist die Art auf dem Felsen vermutlich ausgestorben.
Gallotia simonyi wurde erst 1972 wiederentdeckt
Erst 1972 wurde die Art wieder entdeckt, als der deutsche Reptilienzüchter Werner Bings mit dem Präparat eines Kotstückes der Art. Mit Flugblättern die Inselbevölkerung dazu aufrief sich zu potentiellen Vorkommen der Art zu äußern. Tatsächlich meldete sich ein Ziegenhirte und gab den entscheidenden Hinweis auf die Fuego de Goreto. Tatsächlich wurden die ersten Exemplare gefangen. Bereits seit dem Jahr 1985 werden die ersten Exemplare der Art in Gefangenschaft gezüchtet. Seit dem Jahr 1995 gibt es das Lagartario, welches als Zuchtstation für die Art angelegt wurde. Die Zucht der Art gelingt hier seit Jahrzehnten.
Inzwischen gibt es auch sehr erfolgreiche Wiederansiedlungen der Art. Auf dem oben genannten Roque Chico de Salmor ist der Bestand inzwischen stabil. Auch die beiden Ansiedlungen auf der Insel nahe dem Roque de Chico de Salmor scheinen positiv zu verlaufen und die Bestände scheinen sich zu etablieren und sogar zu expandieren. Dies lässt hoffen, da die Auswilderung an zwei anderen Stellen auf der Insel offensichtlich nicht erfolgreich verliefen. Bei einer dritten Aussetzung ist der Erfolg derzeit ungewiss. Der sicherste Nachweis erfolgt in der Natur durch die großen Exkremente. Umso mehr Kot gefunden wird, desto größer scheint die Population zu sein. Trotz der Größe sind die Echsen auf dem dunklen Geröll sehr schwer zu erkennen. Selbst in den Schauanlagen im Lagartario übersieht man schnell mal ein Tier.
Die Aufzucht erfolgt in Gruppen
Während wir im Februar 2024vor Ort waren, befanden sich 99 Nachzuchten aus dem Jahr 2022 in der Aufzuchtstation. Diese fast zweijährigen Tiere sind noch sehr klein. Wir schätzen die Länge auf weniger als 20 cm Gesamtlänge. Wenn man bedenkt, dass die Nachzuchten beim Schlupf bereits 15 cm Gesamtlänge erreichen, ist das Wachstum in den ersten Lebensjahren sehr langsam. Die Auswilderung der 99 Jungtiere steht noch bevor. Die Auswilderung soll mit dem Erreichen der Geschlechtsreife erfolgen. Dadurch sind die Chancen auf einen Ansiedlungserfolg am größten.
In 2024 wurden 74 Gallotia simonyi auf el Hierro ausgewildert. Im gleichen Jahr sind 100 junge Rieseneidechsen geschlüpft. Erstaunlicherweise ist bei Gallotia simonyi eine Gruppenaufzucht, auch nach mehr als anderthalb Jahren immer noch möglich. Wir zählten in den Gruppen bis zu 9 Tiere, dabei konnten wir keinen Verbiss feststellen. Wir haben im Laufe der letzten Jahre dies auch bei anderen Arten der Gattung Gallotia getestet und konnten keinen langfristigen Erfolg verzeichnen.
Nahrungsspezialisten und dennoch omnivor
Die Ernährung der Jungen erfolgt in den ersten Monaten überwiegend mit Insekten. Mit zunehmendem Alter erfolgt die Adaption an die im Garten des Lagartarios angebauten Kräuter und Pflanzen aus dem darüber liegenden natürlichen Habitat. Hier sind zweifelsohne Paralellen zu der Aufzucht von Jungtieren von Gallotia stehlini (Schenkel, 1901) erkennbar.
Die derzeitigen Schauanlagen sind unter dem steil ansteigenden Fels gelegen. Die Fuego de Goreto liegt in einer Höhe von 500 bis 800 Meter über dem Lagartario und ist ohne Sicherung nur für Geübte erreichbar.
Der Enkel des Hirten, welcher damals Werner Bings den entscheidenden Hinweis gegeben hatte ist leider verstorben. Dies stellt das Zuchtprojekt vor die Tatsache, dass zusätzliche Zuchttiere nur mit Hilfe von professionellen und dadurch auch teuren Kletterern beschafft werden können. Nicht nur Tiere auch die Kräuter und Pflanzen aus diesem alpinen Lebensraum wurden so beschafft und werden in der Zuchtstation gepflegt. Das Gebirge hinter dem Gebäude steigt auf über 1000 Meter sehr steil, fast senkrecht an. Dieser Umstand führte im Jahr 2007 leider zu einer durch einen Felssturz verursachten Verschüttung der Zuchtanlagen. Dabei wurden ca. 200 Zuchttiere verschüttet und sind dabei leider verendet. Nach diesem herben Rückschlag wurde einige Kilometer entfernt die heutige Zuchtstation aufgebaut.
Neue Zuchtstation auf el Hierro
Dr. Miguel Angel Rodriguez Dominguez ist von Beginn an den Zuchtprojekten beteiligt. Schon lange ist er der Leiter der Zuchtstation und inzwischen auch der Natur- und Artenschutzbeauftragte der gesamten Insel. Niemand außer ihm besitzt auch annähernd so viel Wissen über diese vom Aussterben bedrohte Art. Er zeigte uns auch eine vierjährige Nachzucht. Auch dieses Jungtier war nicht wesentlich länger als die zweijährigen, aber befand sich bereits in der Umfärbung zur Adultfärbung. Da die Art im Anhang 2 der FFH-Richtlinie gelistet ist, erhalten die Tiere einen Chip zur eindeutigen Identifikation. In der Woche nach unserem Besuch wurden alle Tiere der Station, gewogen, vermessen und auf den Gesundheitszustand kontrolliert.
Im Lagartario befinden sich 15 Zuchtmännchen in Einzelhaltung. Die Größe der gemauerten Zuchtbehälter ist ca. 200x300cm. Oben sind die Behälter mit Netzen gegen Eindringlinge abgedeckt. So kann das natürliche Sonnenlicht in die Behälter eindringen. Die Zuchtbehälter werden wie die natürlichen Lebensräume erst gegen Mittag von der Sonne beschienen. Eine zusätzliche Beleuchtung ist nicht vorhanden. Die Zuchtbehälter sind zweckmäßig eingerichtet. Die Männchen verbleiben in diesen Zuchtterrarien. Eine Kontrolle ist durch das Öffnen einer Klappe möglich. Im April beginnt die Paarungszeit, dabei kommen die Weibchen für ungefähr vier Wochen zu den Männchen ins Gehege. Die Weibchen verbringen dann die Zeit bis zur Eiablage in Plastikboxen. Hier befinden sich mit feuchtem Sand gefüllte Eiablageboxen. Diese Boxen sind ca. 30x20x20cm groß.
Die Weibchen leben in einer großen Gruppe
Die Weibchen vergraben die Eier meist in einer der Ecken am Boden der Boxen. Nachdem die Weibchen die Eier abgelegt haben, werden sie wieder in der großen Gruppe zusammengesetzt. In einer Gruppe von 17 Tieren verbringen sie die den Rest des Jahres gemeinsam in einem der 6 großen Terrarien des Lagartarios.
Die Größe beträgt ca. 600x800cm. Oben sind auch diese 6 Terrarien nur mit Netzen gegen Vögel und Ratten geschützt. In dem öffentlich zugänglichen Teil des Lagartarios sind drei dieser Schauanlagen dem öffentlichen Publikumsverkehr zugänglich. Das Terrarium der 17 Weibchen ist nicht öffentlich zugänglich. Gemeinsam mit Miguel konnten wir 10 Weibchen auf weniger als einem Meter zwischen großen Steinen zählen.
Eine beeindruckende Fähigkeit der Art ist die innerartliche Toleranz. In den großen Schauanlagen sind bis zu vier adulte Männchen gemeinsam zu sehen. Wir haben bei anderen Arten der Gattung festgestellt, dass eine gemeinsame Haltung nicht immer möglich und auch für die Zucht nicht immer zuträglich ist. Auch bei den ähnlich großen Gallotia stehlini trennen wir die Paare nach ca. 4 Wochen wieder, ehe wir sie erst zur nächsten Paarungszeit im nächsten Jahr wieder zusammen setzen. Solange man die Paare dauerhaft zusammen hält, ist der Stress und die Dominanz durch die Männchen auf die Weibchen oft zu groß und kann zu Verlusten führen. Allerdings haben wir auch nicht eine derart große Anzahl an Exemplaren der anderen Arten zusammengesetzt.
Weitere Blogartikel über die Eidechsen der Kanaren findet ihr hier.
Dankeschön
Wir bedanken uns bei Miguel und seinem Team für die Führung und Betreuung während unserem Aufenthalt in dem Lagartario auf el Hierro.
Über unseren ersten Band über die Reptilien der Kanaren könnt ihr hier mehr erfahren
Da es noch etwas dauert, bis unser zweiter Band über die Reptilien der Kanaren erhältlich ist, empfehlen wir unseren ersten Band über die Reptilien der Kanaren und auch das Buch von Miguel Angel Rodriguez Dominguez. Er war sehr überrascht, dass es in Deutschland Menschen gibt, die mehr über die Kanareneidechsen wissen als die meisten Einwohner der Kanaren.
Das Lagartario ist für jeden von 10-18 Uhrgeöffnet.
Ecomuseo de Guinea
Carretera General Las Puntas, s/n
E-38911 Fronterra
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